Wenn drei Komponisten je zwölf Stücke für den Instrumentalunterricht schreiben, so erscheint es besonders reizvoll, wenn diese Stücke auch in Beziehung zueinander gesehen werden können. So stellten wir uns für jedes der zwölf Stücke ein Schlagwort, eine Idee, einen Arbeitstitel.
Der Arbeitstitel sollte sich auf einen bestimmten Parameter oder Sachverhalt beziehen und später beim Komponieren als bevorzugte Idee behandelt werden. Da nun diese Idee nicht von einer Vielzahl anderer überlagert wird, kann sie der Instrumentalschüler besonders leicht nachvollziehen - ein erster Schlüssel, um Zugang zu dem Stück zu finden.
Für den Unterricht, aber auch für Vorspielabende oder Konzerte ergeben sich dadurch unzählige interessante Kombinationsmöglichkeiten, weil zu jedem Arbeitstitel ja drei unterschiedliche Herangehensweisen in den Stücken der drei Komponisten vorliegen. Im Vergleich dieser Stücke lässt sich zeigen, wie unterschiedlich Neue Musik gewandet sein kann. Zugleich kann jedes Stück aber auch für sich selbst stehen oder im Kontext der anderen elf Beiträge des jeweiligen Komponisten betrachtet werden.
Unisono
Die ersten uns überlieferten Musikstücke waren einstimmig, und auch nach der Entwicklung der Mehrstimmigkeit bleiben einstimmige Stücke wichtige Ausgangspunkte musikalischer Überlegungen, vor allem in Form von Solostücken für Streich- oder Blasinstrumente. Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn wir uns die einstimmige Linie und ihre Eindimensionalität für Ensemblemusik nutzbar machen?
Kanon
Nach der einstimmigen Linie ist der Kanon, die strenge Imitation eines Motivs, eines der fundamentalsten Prinzipien für ein Musikstück und eines der ersten Modelle der Mehrstimmigkeit. Wie kann zeitgenössische Musik Position zu dieser geradezu altehrwürdigen Form beziehen? Welche neuen Akzente können dabei entdeckt werden?
Im Zusammenklang
Im Vordergrund steht hier die vertikale Betrachtung von Musik, die Harmonie. Jeder Komponist, jede musikalische Strömung hat ihre eigenen Ansichten zur Wirkungsweise von Harmonien und hat eigene harmonische Gesetzmäßigkeiten aufgestellt. Wie stehen wir heute zum Begriff Akkord? Welche Zusammenklänge reizen uns immer noch, oder wieder, oder neu ...?
Tanz
Oft lädt uns die Musik ein, dass wir uns zu ihr bewegen. Dass wir tanzen. Ob es sich um stilisierte höfische Tänze wie Menuett oder Gavotte handelt, um klassische Tänze wie Walzer oder Polka oder um neue Tanzrhythmen, immer brauchen Tänze ein charakteristisches Gepräge, damit wir sie als Tänze wahrnehmen. Was kann uns zum Tanzen animieren, egal ob in Gedanken oder auf der Tanzfläche?
Zwiefacher
Der Zwiefache ist ein Tanz aus der bayerischen und alpenländischen Volksmusik, der aus einer Abfolge von 2er- und 3er- Takten besteht. Ein kombinierter Rhythmus also, ein ständiges Wanken zwischen zwei Metren. Ein meist überschwänglicher und lebensfroher Tanz. So bodenständig das Thema klingt, haben wir hier im Grunde die komplexeste Vorgabe von allen - denn es geht zugleich um die Begegnung mit Volksmusik, um einen Tanz, den wir mit einer bestimmten Stimmung verbinden, - und um ein besonders ausgefuchstes Metrum. Wie können wir diese Volksmusiktradition für Neue Musik nutzen?
Mit Text
Die Verbindung von Sprache und Musik ist ein altes Phänomen. Ob als gesungene Lieder, als melodramatische Rezitationen, als meditative Beschreibungen zur Komposition: Texte spielen in vielen Fällen eine wichtige Rolle in der Musik. Wie lassen sich Texte in unsere Stücke für den Instrumentalunterricht einbinden? Schließen instrumentale Stücke denn automatisch unsere menschliche Stimme aus? Wie verändern Texte die reine, die absolute Musik?
Kontrast
Wie in der Malerei, so ist auch in der Musik das wohl wichtigste Darstellungsprinzip der Kontrast. Hoch - tief; hell - dunkel; langsam - schnell; laut - leise; lang - kurz; lustig - traurig: Es lassen sich unzählige Beispiele für Kontraste finden. Kontraste können zwischen den einzelnen Tönen liegen, zwischen den verschiedenen Stimmen, zwischen zwei Motiven oder zwischen unterschiedlichen Formteilen. Wo liegen die Kontraste in unseren Stücken?
Minimal
Die Minimal Music ist eine bedeutsame Strömung in der Musik des 20. Jahrhunderts. Sie ist gekennzeichnet durch kleine musikalische Einheiten, die häufig wiederholt werden und sich dabei allmählich verändern oder gegeneinander verschieben. Mit mechanischer Präzision entstehen daraus faszinierende Rhythmen und Klänge. Wie kann eine heute komponierte Minimal Music klingen, rund vierzig Jahre nach dem ersten Auftreten dieser Technik?
Im Raum
Wenn wir Musik ausführen, tun wir das immer in einem Raum, egal wie groß oder klein dieser ist. Die Entdeckung des Parameters Raum zur musikalischen Nutzung reicht weit in die Geschichte zurück und hat ihren Ursprung in der Lust am Spiel mit der Akustik. Wie kann der Raum, in dem wir spielen, auf unsere Musik als Gestaltungselement einwirken?
Variable Form
Im Normalfall haben Musikstücke eine feste, vorgegebene Form. Es ist eine Überlegung des 20. Jahrhunderts, auch diese Form, das eigentliche Gesicht des Stücks, für die Ausführung zur Disposition zu stellen. Der Interpret entscheidet also nicht nur über Werte wie Dynamik, Tempo oder Ausdruck. Er greift direkt, meist aufgrund vorgegebener Regeln, in die Gestalt des Stücks, das Zuerst und das Danach ein. Wie können solche Maßgaben aussehen, nach denen der Spieler das Stück selbst „zusammenbastelt”? Welche unterschiedlichen Formen lassen sich für die eigene Interpretation finden?
Ohne Takt
Eine besonders interessante Form der Notation von Musik ist die Darstellung in der „space notation”, in der sich die ungefähre Notendauer aus der (grafischen) Entfernung zwischen zwei Noten ergibt. Hierbei wird auf genaue Werte verzichtet, man findet weder Triolen oder punktierte Sechzehntel noch durch Taktstriche organisierte schwerere und leichtere Taktschläge. So ist dabei mehr die Vorstellungskraft des Interpreten gefordert, der die rhythmische Freiheit mit Leben erfüllen soll. Oft entstehen in dieser Freiheit komplexe Rhythmen, die man in herkömmlicher Notationsweise wohl als unspielbar empfände. Wie können wir diese rhythmische Freiheit in unseren Stücken einsetzen? Wie kann sie sinnvoll wiedergegeben werden?
Zwischen den Pausen
Pausen sind die Gartenzäune in unseren musikalischen Gärten. Gäbe es keine Pausen, wäre Musik nur noch wuchernde Vegetation, ein nicht zu verstehender Klangwald. Die Pausen zwischen den Noten grenzen die einzelnen Klänge voneinander ab und sind damit genauso wichtig wie die gespielten Noten selbst. Auch wenn sie oft nicht so gesehen werden. Gerade die Pausen bergen eine ungeahnte Kraft und Spannung in sich. Was, wenn die Pausen wichtiger werden als die eigentlichen Klänge? Was, wenn Musik nicht mehr aus Klängen besteht, die zwischen einigen Pausen stehen, sondern aus Pausen, die zwischen vereinzelten Klängen stehen?
Ernst Bartmann, Manuel de Roo und Josef Irgmaier
Arbeitstitel | Werktitel | Anzahl der Stimmen | chorisch besetzbar | Tonumfänge | Lagenkombinationen | Schlagwerk | |||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Stimme 1 | Stimme 2 | Stimme 3 | Stimme 4 | ||||||
Ernst Bartmann |
|||||||||
Unisono | Memoiren | 2 | nein | c1-as2 | c1-as2 | h-h; t-t | ja | ||
Kanon | Drei Semmeln | 4 | nein | c1-e2 | as-e2 | G-es2 | H-h | h-m-t-t | nein |
Im Zusammenklang | Netzwerk | 4 | ja | f1-g2 | c1-des2 | e1-gis2 | g-e2 | h-h-h-m; m-t-t-t | nein |
Tanz | Tangential-Tango | 3 | ja | c1-as2 | c1-es2 | C-f1 | h-m-t | ja | |
Zwiefacher | Holzweg | 3 | ja | d1-a2 | h-fis2 | C-es1 | h-h-t | ja | |
Mit Text | Zur Diskussion gestellt ... | 4 | ja | c1-gis2 | b-fis2 | g-es2 | Cis-d1 | h-h-m-t | nein |
Kontrast | Inhomogen | 2 | ja | cis1-a2 | c1-a2 | h-h; t-t | ja | ||
Minimal | Defekt | 3 | ja | g1-f2 | d1-d2 | G-f1 | h-m-t | nein | |
Im Raum | Streugut | 4 | ja | c1-g2 | b-e2 | as-e2 | C-fis1 | h-h-m-t | nein |
Variable Form | Casino | 4 | nein | c1-a2 | cis1-ges2 | cis1-g2 | unbestimmt | h-h-h-h; t-t-t-t | ja |
Ohne Takt | Etwas taktlos ... | 2 | nein | G-des1 | b-e2 | h-t | nein | ||
Zwischen den Pausen | Bitte nicht stören! | 3 | ja | f1-h2 | des1-e2 | c1-c2 | h-m-m; m-t-t | ja | |
Manuel de Roo |
|||||||||
Unisono | Portrait 1 | 3 | ja | g1-fis2 | g-g1 | G-g | h-m-t | nein | |
Kanon | Why not | 3 | ja | e1-cis3 | h-ais2 | H-cis1 | h-h-t | nein | |
Im Zusammenklang | LF_x | 4 | ja | f1-as2 | dis1-a2 | h-fis2 | dis1-fis2 | h-h-h-h; m-m-m-m; t-t-t-t | nein |
Tanz | SW_x | 4 | ja | fis1-a2 | e1-a2 | E-fis1 | E-a | h-h-t-t | nein |
Zwiefacher | TS wie | 4 | ja | a1-c3 | a1-c3 | a-e2 | A-c1 | h-h-h-t; h-h-m-t | nein |
Mit Text | Innerlich | 2 (od. 1) | nein | cis1-cis2 | nur e1 | h-h; m-m; t-t | nein | ||
Kontrast | Erinnerung | 4 | ja | c1-c3 | as-h2 | G-es1 | F-h | h-h-t-t | nein |
Minimal | Dreiliterauto | 2 | ja | cis1-fis2 | cis1-f2 | h-h; m-m; t-t | ja | ||
Im Raum | Raummusik | 3 | nein | e1-h2 | cis1-h2 | cis1-gis2 | h-h-h; m-m-m | nein | |
Variable Form | Eine Drei | 3 | nein | d1-a2 | d1-a2 | d1-a2 | alle | nein | |
Ohne Takt | Facing black | 2 | nein | cis1-as2 | cis1-as2 | h-h; m-m; t-t | nein | ||
Zwischen den Pausen | Ohne Ohren hören | 2 | nein | h1-as2 (F: e1-des2) |
e1-g2 (F: a-c2) |
h-h; m-m; t-t | nein | ||
Josef Irgmaier |
|||||||||
Unisono | Kleines Concertino | 4 | ja, mit Soli | c1-g2 | c1-g2 | c1-g2 | c1-g2 | h-h-h-h; m-m-m-m; t-t-t-t | nein |
Kanon | Vom Himmel kommen | 4 | ja | Quint | Quint | Quint | Quint | alle | ja |
Im Zusammenklang | Lied, Melodie von N.N. | 4 | 1: nein; 2-4: ja |
ad lib. | c1-c2 | c1-c2 | c1-c2 | 1+ h-h-h; m-m-m | ja |
Tanz | Traumtanz | 3 | ja | e1-dis3 | c-e1 | E-c | h-m-t | ja | |
Zwiefacher | Im Nachklang | 4 | ja | c1-h2 | f-g2 | f-es2 | f-a1 | h-m-m-m; m-t-t-t | ja |
Mit Text | Ensemble | 3 | ja | e1-c2 | es1-g1 | c1-d1 | h-h-h; m-m-m | nein | |
Kontrast | Kippe | 4 | ja | e1-a2 | e1-h2 | f1-c3 | f1-as2 | h-h-h-h; m-m-m-m; t-t-t-t | nein |
Minimal | Kanons Bruder | 4 | ja | c2 | f1-b1 | g1-d2 | c1-c2 | h-h-h-h; m-m-m-m | ja |
Im Raum | Horch was kommt | 2 | ja | es1-d2 | es1-c2 | h-h; m-m; t-t | nein | ||
Variable Form | ... in den Sternen | ad lib. | ja | ad lib. | h-m-t | nein | |||
Ohne Takt | Weihnachtswache | 4 | ja | cis1-es2 | a-des2 | e-ces2 | A2/A-a1 | h-h-m-t | ja |
Zwischen den Pausen | Was ist das für ein Lied? | 2 | ja | c1-d2 | f-a1 | h-m; m-t | nein | ||
* h = hoch; m = mittel; t = tief |
Arbeitstitel | Werktitel | Schwierigkeit | ||
---|---|---|---|---|
rhythmisch | melodisch | Zusammenspiel | ||
Ernst Bartmann |
||||
Unisono | Memoiren | * | * | * |
Kanon | Drei Semmeln | ** | * | ** |
Im Zusammenklang | Netzwerk | * | * | *** |
Tanz | Tangential-Tango | ** | ** | ** |
Zwiefacher | Holzweg | ** | ** | ** |
Mit Text | Zur Diskussion gestellt ... | ** | ** | *** |
Kontrast | Inhomogen | * | ** | ** |
Minimal | Defekt | *** | * | *** |
Im Raum | Streugut | ** | ** | *** |
Variable Form | Casino | * | ** | *** |
Ohne Takt | Etwas taktlos ... | *** | ** | *** |
Zwischen den Pausen | Bitte nicht stören! | *** | * | *** |
Manuel de Roo |
||||
Unisono | Portrait 1 | ** | *** | ** |
Kanon | Why not | * | ** | * |
Im Zusammenklang | LF_x | ** | * | ** |
Tanz | SW_x | *** | ** | ** |
Zwiefacher | TS wie | * | ** | * |
Mit Text | Innerlich | ** | ** | * |
Kontrast | Erinnerung | ** | *** | ** |
Minimal | Dreiliterauto | *** | * | *** |
Im Raum | Raummusik | ** | ** | ** |
Variable Form | Eine Drei | *** | *** | * |
Ohne Takt | Facing black | *** | * | *** |
Zwischen den Pausen | Ohne Ohren hören | ** | * | * |
Josef Irgmaier |
||||
Unisono | Kleines Concertino | ** | *** | *** |
Kanon | Vom Himmel kommen | ** | * | *** |
Im Zusammenklang | Lied, Melodie von N.N. | * | * | ** |
Tanz | Traumtanz | ** | ** | ** |
Zwiefacher | Im Nachklang | ** | * | ** |
Mit Text | Ensemble | ** | * | ** |
Kontrast | Kippe | ** | ** | *** |
Minimal | Kanons Bruder | *** (1: *) | * | ** |
Im Raum | Horch was kommt | ** | * | ** |
Variable Form | ... in den Sternen | ** | ** | ** |
Ohne Takt | Weihnachtswache | ** | ** | *** |
Zwischen den Pausen | Was ist das für ein Lied? | ** | * | ** |
Ernst Bartmann | Manuel de Roo | Josef Irgmaier |
---|---|---|
Drei Semmeln | SW_x | Kleines Concertino |
Tangential-Tango | Dreiliterauto | Im Nachklang |
Zur Diskussion gestellt... | Raummusik | Ensemble |
Casino | Eine Drei | Kippe |